GRIECHENLAND

DIE WIEGE DER WESTLICHEN KULTUR

Jordi Rodríguez-Amat

 Copyright 2006: Jordi Rodríguez-Amat

Dieser Text ist in der Abteilung für Kultur der Katalanische Regierung registriert worden.

Anfang Februar 2002 unternahm ich eine Reise nach Griechenland. Ich hatte Griechenland seit vielen Jahren in meinem Kopf. In den Jahren, als in mir das Bewusstsein für kulturelle Werte erwachte, wollte ich mein Wissen über den Ursprung der westlichen Kultur erweitern. Nicht so, wie ich mich von anderen Ländern angezogen fühlte, insbesondere von asiatischen wie z.B. Indien, aber mit einer nachhaltigen Bedeutung, zu der wir als Europäer eine Nähe haben: schließlich war Griechenland die Wiege unserer Kultur, und die westliche Welt baute auf diese Zivilisation auf.

Ich konnte am Liceo las Artes von Josep Alumà in Barcelona, der Schule, an der ich meine ersten Schritte in der Welt des Zeichnens und Malens machte, einige griechische, klassische und hellenistische Skulpturen zeichnen, obwohl es davon nur wenige gab. Es waren kleinformatige Kopien aus Gips. Später, im September 1960, musste ich bei der Aufnahmeprüfung für die Kunstakademie in Barcelona den Apoxyomenos des Lysipps zeichnen. Die Prüfung fand im Klassenzimmer statt, in dem das sogenannte “Antike Zeichnen” durchgeführt wurde. Es gab viele Gipskopien antiker, griechischer und römischer Skulpturen und jedes Mal, wenn wir dieses Klassenzimmer betraten, tauchten wir in eine klassische Welt ein, die für uns alle mit einer vorbildlichen Ästhetik gefüllt war. Es ist klar, dass der Gips apathisch und leidenschaftslos ist und sich der warmen Kälte entkleidet, die das Bersten und die durchsichtige Reinheit des Marmors aufrechterhält, aber der Geist der Formen, die klassischen Proportionen, das Gleichgewicht und so viele andere ästhetische Werte, die schon damals im Studium an dieser Kunstschule vorherrschte, entführte uns in eine reiche Welt reiner Schönheit.

Apoxyomenos des Lisipps

Meine künstlerische Ausbildung folgte den Prinzipien der damaligen Kunstschulen und die klassische Welt mit all ihrem ästhetischen Gehalt an Schönheit und Proportionen verankerte das Schiff der Evolution der Kunst mit Lehren, die von der griechisch-römischen Welt getragen wurden, einer Welt, die nuanciert ist durch Jahrhunderte der Reflexion der Renaissance.

Etwas, das mir bei meinem Wunsch, ein wenig half, Griechenland kennenzulernen, war ein kleines Gespräch von Francesc Artigau am Sitz der SEU*. Francesc Artigau war ein Kollege der Kunstakademie in Barcelona. Er hatte sein Studium der schönen Künste ein Jahr vor mir abgeschlossen und im Sommer eine Reise nach Griechenland unternommen. Weder das Ausmaß der Reise noch die Besonderheiten dessen, was er uns erzählte, sind mir in Erinnerung geblieben. Ich erinnere mich nur, noch daran, dass er uns mit seinen einfachen Erklärungen einige Dias und Zeichnungen zeigte, die er während seiner Reise angefertigt hatte.

SEU* Spanischer Hochschulverband. Einer gegründeten Studentengewerkschaft durch das Franco-Regime, dessen einziger Zweck darin bestand, die studentische Universitätswelt von der totalitären Macht der Diktatur zu kontrollieren. Der Hauptsitz dieser Gewerkschaft befand sich in der Canuda Strasse in Barcelona nicht weit weg vom Athenaeum entfernt.

Was meinen Wunsch, mich mit der hellenischen Kultur zu befassen, wirklich weckte, war das Buch von Henry Miller mit dem Titel The Colossus of Maroussi das ich im Herbst 1965 in Paris gelesen habe. Ich habe es auf Französisch gelesen, weil ich damals gewisse Schwierigkeiten hatte, englische Texte zu verstehen. Jetzt weiß ich nicht mehr, ob ich es selbst gekauft habe oder geschenkt bekam. Heute erinnere ich mich nicht mehr an die Details des Buches, nicht einmal die dort beschriebenen Orte. Was bleibt sind die Erinnerungen an die Gefühle, die seine Lektüre in mir ausgelöst haben. Die Reise durch die verschiedenen Orte der hellenischen Geographie, die Erfahrungen des Autors, die Begegnungen und alles, was das Buch beschreibt, werden in mir die Leidenschaft wecken, mich eines Tages persönlich damit zu befassen. Jahre später, ungefähr 1984, las ich von dem selben Autor Tropic of Capricorn, ein exzentrisches Buch voller nymphomaner Frauen. Ein spannendes und gelungenes Buch, wild, kraftvoll, eines dieser Bücher, die man nach halber Lektüre kaum aufgeben kann.

Das Lesen eines Buches kann sensible Zustände provozieren, die durch Werte erzeugt werden, die dem Werk innewohnen und unabhängig von einer einfachen beschreibenden Erzählung sind. Dann basiert die Erinnerung nicht auf den beschriebenen Tatsachen, sondern auf den emotionalen Zuständen, die das Buch beim Lesen erzeugt haben könnte. Wenn also das Substrat der Geschichte aus der Erinnerung schwindet, bleibt aber die Erinnerung dieses oder jenes Charakters bestehen, der Atem, der die Position der Empfindungen aufrechterhält. Es gibt jedoch Bücher, deren Lektüre es uns erlaubt, nur der einfachen Erzählung zu folgen. Die Erinnerungen lösen sich in kürzester Zeit auf.

Die Akropolis in Athen

Nicht alle Wünsche sind immer verwirklichbar, wir haben viele und deren Realisierung hängt von verschiedenen Faktoren ab. So ist Griechenland über viele, viele Jahre, mal mehr, mal weniger, in meinem Kopf erschienen und aus meinem Geist verschwunden. Die sieben Jahre, in denen ich neben anderen Fächern auch Kunstgeschichte unterrichtete, weckten gelegentlich meinen Wunsch, Griechenland direkt kennenzulernen. Da ich die Kunstgeschichte kenne, waren mir sowohl die griechische Architektur als auch griechische Skulpturen keine Unbekannten, ganz im Gegenteil; Knossos, Mykene, die Akropolis von Athen, Epidauros und so viele andere Orte waren mir alle bekannt. Es war alles ein formales Wissen, aber ohne die Tiefe einer persönlichen Erfahrung, dass den sensiblen Umgang mit dem Werk erfordernn sollte. Jedenfalls hatte ich schon eine gute Handvoll griechischer und römischer Skulpturen, Originale und alte Kopien, in den großen Museen Europas betrachten können: dem British, dem Louvre, dem Vatikan. So war es zusätzlich zu dem durch die Studie vermittelten Wissens möglich, diese Skulpturen direkt zu sehen.

Über viele Jahre hinweg entstand dann der Wunsch, Griechenland direkt kennenzulernen, und genau im Frühjahr 2001, nach einer Reise durch Ägypten im Februar desselben Jahres, entschloss ich mich diesen Wunsch umzusetzen. Die Entscheidung war schnell gefallen: von Ägypten nach Griechenland zu reisen. In den nächsten Monaten träumte, plante und lebte ich die Reise vor. Ich habe es oft gesagt; ich bin ein Träumer. Weck mich nicht auf! Probier es einfach aus, aber ich will nicht aufwachen. Ich möchte träumen. Ich möchte, dass mein Tod auch ein Traum wäre. Wie könnte ich leben, ohne den Traum vom Leben zu träumen, den Traum vom Begehren, den Traum von der Liebe, den Traum, der von innen nach außen dringt, den Traum, der niemals endet, den Traum, der das Leben nährt, den Traum, der von Übel befreit, von Faulheit, was nicht tötet und was tötet, was uns von anderen und von sich selbst befreit, der Traum von Hoffnungen, von Projekten, der Traum, der die Fantasie entfesselt, der Chimäre Traum, mein Traum.

Am Abend kam ich am Flughafen Athen an. Die Tageszeit und die Schläfrigkeit des Wetters erlaubten es nicht, die Stadt vom Himmel aus zu sehen. Zum Zeitpunkt der Landung erschienen unter uns vier schwach erleuchtete Lichter, die einen düsteren und unbekannten Raum umgaben. Ein halb zerlegtes Taxi begann eine lange Fahrt durch Straßen und noch mehr Straßen, Ampeln rechts und links, einfach chaotisch. Andere Städte, wie unter anderen Kairo und Delhi, ist Athen eine Stadt, in der der Verkehr absolut geschäftig und verwirrend ist. Ein paar Tage später mietete ich ein Auto, um nach Attika und in die Peloponnes zu reisen. Die Straße oder Autobahn, die von Südattika in die Peloponnes führt, durchquert die gesamte Stadt Athen. Es war die Hauptverkehrszeit zwischen zwölf und zwei Uhr mittags und die schlechte Beschilderung sowie die Unkenntnis der Stadt und der absolut chaotische Verkehr die mich dazu zwangen, nach mehr als einer Stunde in der ich den Stau erlitten hatte und die Unbeweglichkeit, das Auto schlecht zu parken und eine weitere Stunde zu warten, bis sich die Stadt entspannte und ich die Reise fortsetzen konnte.

Das Hotel in Athen war nicht weit vom archäologischen Museum entfernt. Ein gut ausgestattetes Vier-Sterne-Hotel bot mir ein geräumiges Zimmer mit allen Annehmlichkeiten. Der Speisesaal war mit einem Brunnen geschmückt, aus dem farbig beleuchtete Wasser sprudelte. Alles in allem Kitsch. Ein Pianist, der es satt hatte, jeden Tag die gleichen Stücke zu wiederholen, saß vor einem Klavier. Weltbekannte Melodien blühten in einem etwas melancholischen Raum auf. Sehr apathischer Service. Vier schlecht ausgesprochene englische Wörter dienten dazu, guten Appetit zu wünschen. Die Sitzgruppe im Nebenraum voller Menschen schnatternder, Frauen in halblangen Kleidern. Ich fühlte mich wie ein geschützter Beobachter inmitten dieser Show, reich und vulgär zugleich.

Die Propiläen

Am nächsten Tag, frühmorgens, war ich bestrebt, mich auf den Weg zur Akropolis zu begeben, und nach einem guten Frühstück begann ich zu Fuß einen kurvenreichen Weg durch Straßen und weitere Straßen, um endlich vor den Propyläen zu stehen und die Emotionen zu fühlen, die ich seit Jahren erleben wollte. Je nâher ich den Propyläen kam, auf meinem Weg von unten nach oben, schwoll meine Brust an, über dieses Wunderwerk der griechischen Kultur. Die Pracht der Propyläen offenbarte die Pracht der gesamten Akropolis. Säulen und Architrave im reinsten dorischen Stil zeigten die strenge Gelassenheit dieser Architektur. Der Tag war herrlich und die konkaven Furchen der Säulen markierten die Grenzen zwischen Licht und Schatten. Die grafische Geometrie der griechischen Architektur, die ich so oft gelehrt hatte, ging mir durch den Kopf. Diese Geometrie basierte auf der Darlegung von Il Vignola aus dem 16. Jahrhundert, in der er ein grafisches System zur Darstellung von Sockeln, Schäfte und Kapitellen der klassischen Architektur vorstellte.

 

Sobald ich das Portal durchquerte, erschien rechts von mir der prächtige Parthenon. Was für ein Wunder! Trotz der Restaurierung mit Gerüsten auf beiden Seiten zeigte die spektakuläre Größe des Gebäudes ostentativ die Ausgewogenheit, die Pracht, die Gelassenheit, die vor mehr als zwei Jahrtausenden gebaut wurde. Der Fries war leer, die Gibel nackt. Aber ist es nicht legal, dass Griechenland jetzt reklamiert, die Teile zurückzuverlangen, was die Kolonialmächte geplündert hatten? Die Architektur des gesamten Gebäudes zeigte eine der vollkommensten Schöpfungen des menschlichen Geistes. Die Aufregung des Augenblicks zusammen mit meinem persönlichen Gemütszustand half mir, einen dieser schwer zu vergessenden Momente zu erleben. Ich war mitten in einem der Eckpfeiler der gesamten westlichen Kultur. Persönliche Freude vermischte sich mit der Irritation des Gedankens, der Mensch sei nicht in der Lage, all diese Wunder intakt zu halten. Menschliche Interessen in jeder der verschiedenen Epochen, Hass auf diese oder jene Religion, bewusstloses Wüten und so viele andere Tugenden böser Geister, haben die teilweise oder vollständige Zerstörung vieler Schöpfungen des menschlichen Geistes ermöglicht. Im diesem Moment erinnerte ich mich gelesen zu haben, dass Il Coliseo als Steinbruch für den Bau vieler römischen Kirchen diente. Verdammte menschliche Barbarei!

Der Parthenon

In Phidias Werkstatt in Olympia

Vor mir lagen die Räume, die seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. von so vielen Charakteren des antiken Griechenland durchquert wurden. Plötzlich und unfähig, es zu vermeiden, überschlug sich meine Fantasie und erlaubte es mir, unter vielen, vielen anderen mit Iktínios und Kallíkratis zu sprechen. Von weitem sah ich Perikles mit seinem ganzen Gefolge vorbeiziehen. Ich fand Phidias in seiner Werkstatt in Olympia. Welcher Neid! Wie konnte ein Mensch diesen Fries gebären? Wird dieses Wunder an seinen Ursprungsort zurückkehren?

Detail des Frieses des Parthenon von Phidias

Der Tag war herrlich und das Sonnenlicht von Attika wärmte den weißen Marmor. Heute mag es unwahrscheinlich erscheinen, dass all dieses Weiß mit den hellsten Farben bedeckt war. Wir sind es gewohnt die griechische Architektur und die griechische Skulptur unter der Reinheit des weißen Marmors zu sehen. Ich umkreiste den ganzen Parthenon. Zäune ließen mich nicht näher heran. Besser! Somit erlaubte mir die Perspektive das gesamte Bauwerk zu erfassen. Da ich Kunstgeschichte unterrichtet hatte, musste ich jeden einzelnen Teil der Säule, unter anderem den Architrav und das Tympanon, analysieren. Ich zählte die Anzahl der Säulen, die dem Peristyl entsprachen, die Säulentrommeln, die Kapitelle mit jedem seiner Teile, die Triglyphen und die Metopen. Ich konnte mich nicht von meinen Kenntnissen befreien. Ich weiß, dass wir uns nicht von all unserem Wissen befreien können. Und wir sind, was wir sind, wir sind durch einen ganzen Bildungsprozess während unserer gesamten Existenz. Die Freiheit des Einzelnen existiert nicht, wir sind, was wir sind und wir können es nicht vermeiden.

Türkische und venezianische Machgierige die mit ihrer der Unwissenheit des Augenblicks alles zerstörten, was wir heute in all seiner Pracht bewundern. Dann kamen die Engländer, die alles plünderten und sich als die Herren der Welt betrachteten, die Macht über die Schwachen zu besitzen glaubten. Genauso wie es bei der präkolumbianischen Kulturen geschah, denen die spanischen Eroberer ihre persönlichen Interessen von Reichtum, Macht und Religion aufstülpten, geht mir jetzt durch den Kopf. Sie galten als absolute Inhaber des Rechts der Zerstörung und besaßen die Fähigkeit, alles zu zerstören, was nicht ihren Prinzipien entsprach: diktatorische und vernichtende Macht, einfach wilde Macht. Ich stelle mir diese bewaffneten und seelenlosen Eroberer vor, das Kreuz links, das Schwert rechts. Die Geschichte war und ist ein Rosenkranz von Bauten und Zerstörungen. Verdammter Mensch!

Die Erechtheion

Umgeben von einer klaren, mediterranen Sonne erscheint das Erechtheion in seiner leichten Weiblichkeit unter dem betörenden Schutz der unterworfenen Karyatiden, von denen sich Kopien im Akropolis-Museum befinden, eine jedoch im britischen Museum gelandet ist. Die Perspektive des gesamten Sets aus tausend und einem Blickwinkel bot mir einen dieser seltenen und nur gelegentlich erreichbaren Zustände der Gelassenheit. Plötzlich, meine Abreise zum Schweigen bringend und auf einem Felsen sitzend, von der Verwüstung der Zeit ruiniert unterhielt ich mich im Geiste mit der weisen Athena, die mir ihrer Gesellschaft an diesem Ort bot. Ich fühlte mich weder als Redner noch als Dichter, noch als Philosoph, nur als Sterblicher, der das Wohlergehen des Raumes und der Zeit genoss. War sie wirklich Jungfrau, wie die Athener sie nannten? Ich habe sie nicht gefragt. Sie muss sehr schön gewesen sein, um ihr einen Tempel wie den Parthenon zu bauen, und das der große Phidias sie mit Gold und allerlei Ornamenten bedeckt hat. Wer könnte dort gewesen sein, mitten auf der Akropolis um diese Skulptur zu sehen, in ihrer ganze Pracht! Wer weiß? Stellen wir uns für eine Sekunde vor, Sie, liebe Leser, oder ich, einer dieser Steinmetzer im 5. Jahrhundert v. Chr. zu sein, der begierig darauf wäre Athenas Bild zu genießen. Wir hätten auch Kallíkratis oder Perikles sein können. Gehen wir weiter und tauchen wir in einen Traum ein, Phidias selbst, oder der Freund, Licht und Schatten des Bildhauers, zu sein, frühmorgens an einem Frühlings-, Sommer- oder Herbsttag zu spazieren gehen, Händchen haltend auf dem Weg zur Akropolis, das Zittern des Genies spürend, ein paar Minuten, bevor er sich wieder dem harten Marmor gegenüber stellte. Phidias und ich, beide in die weise Athena verliebt, der Künstler in das Modell, ich in die Skulptur aus Marmor.

In den nächsten Tagen wanderte ich weiter über viele Plätze dieser Stadt: alte und moderne Plätze, Straßen und Gassen, Museen und alle möglichen Ecken voller Gerüche und Farben. Das malerische neue Leben der Stadt entwickelt sich in den Vierteln Plaka und um Monastikari. Märkte, Geschäfte aller Art, kleine typische Tavernen, Restaurants, alles in engen Gassen, wo man drinnen und draußen das mal laute, mal stille Gebrüll der Stadt atmet.

Wenige Tage später startete ich in einem zweimotorigen Propellerflugzeug vom Flughafen Athen aus nach Kreta. Die Ankunft über Kreta von oben erlaubte uns, die Helligkeit eines tiefblauen Meeres zu sehen, das mit Segelboten übersät war. Dort, direkt zu meinen Füßen, lag Kreta, schön, mit brustförmigen Bergen, von denen einer, die ersten Schreie des Zeus beherbergte, als er fern von seiner Mutter von der Nymphe Amalthea gesäugt wurde.

In meinem Geist war eine gewisse Erregung, hervorgerufen durch die Aufregung, in das Labyrinth in Theseus Haut eintauchen zu können. Mehr und mehr spürte ich mein Herz schlagen, um für einen Moment die Liebe der schönen Ariadne zu genießen, eine Liebe, von der später Dionysos iauf Naxos verlassen wurde.

Am Flughafen wartete auf mich eine junge Frau. Sie sprach mit Mühe Französisch. Wir nahmen zum Hotel ein Taxi. Ein Hotel, vier Sterne, fast leer. Februar ist Nebensaison in Heraklion. Beim Abendessen musste ich an einem schlecht gedeckten Tisch Platz nehmen. Zwei Kellner und zwei oder drei Kellnerinnen bewegten sich zwischen den Tischen hin und her. Sie hatten sehr wenig Arbeit. Einer der Kellner erzählte mir, dass sein Sohn an einer Hotelfachschule in Heraklion studierte. Offensichtlich musste der Sohn unter dem Einfluss des Vaters, des Kellners, eine andere Berufsperspektive entwickeln.

Ruinen von Knossos

Der Besuch der Ruinen von Knossos konnte nicht lange auf sich warten lassen. Am nächsten Tag, mit einer Karte in der Hand und nach Nachfragen wo der Busbahnhof ist, fuhr ich mit einem sehr vernachlässigtem Bus auf Straßen die in einem beklagenswerten Zustand waren in Richtung Ruinen. Knossos ist nicht weit von Heraklion entfernt und wenn ich mich recht erinnere, kam ich in etwas mehr als einer halben oder dreiviertel Stunde in einer dünn besiedelten Gegend an. Dort prahlte ich, Minos sei sehr nahe, versteckt in einem der tausend Räume des Labyrinths, der königlichen Kammer, auf seinem Thron sitzend.

Jede Ruine atmet den Atem der Vergangenheit: die Größe, die sich in der Kleinheit der Gegenwart zeigt. Viel und wenig Phantasie erforderte der Wiederaufbau des Stadtpalastes von Knossos um die Pracht der großen monumentalen Räume hervorzuheben. Es gabt mit Wandmalereien geschmückte Wände aller Art, Stein- und Alabastersockel, sehr viele Räume, Bürgersteige, Lagerhäuser und noch mehr. Eines der Merkmale, das uns am meisten überraschen mag, ist die umgedrehte kegelförmige Stammsäule und ein Kapitell unter einem Abakus. Knossos wird uns heute als Ruine präsentiert, die aus dem Zusammenbruch von mehr als drei Jahrtausenden hervorgegangen ist.

Das leichte Leben an einem paradiesischen Ort, frei von Ängsten und Mauern, lässt uns an die Ruhe eines angenehmen und idyllischen Daseins denken, das dem Sport und der körperlichen Schönheit gewidmet war. Ebenso an den Stier, der wie so oft im imaginären Minoischen dargestellt, Pasiphaë befruchtete aus dem der Minotaurus entstand.

Nachdem ich auf dem königlichen Thron gesessen hatte, ging ich den ganzen Tag umher, Treppen hoch Trepen runter. In meiner Phantasie verwandelte sich die Ruine durch eine starke Metamorphose nach und nach in einen prachtvollen, wunderbaren Palast. Plötzlich fand ich mich umgeben von wunderschön gekleideten Männern und Frauen mit einem Lächeln auf den Lippen, die sich von einer Seite zur anderen bewegten. Die Säulen erschienen mit einer starken Chromatik. Die Wände sahen aus wie prächtige Fresken mit allen möglichen religiösen und verspielten Zeremonien. Ein Gefolge von Männern, mit nackten Oberkörpern und knöchellangen Röcken, fürten Tiere mit sich. Die Frauen, die weite Röcke bis zu den Füßen trugen, brachten zu den prächtigen Begräbnisritualen Bottiche und Harfen. Fast ohne es zu merken, sprang ich mit einigen Athleten über große Bullen. Die Aufregung der Umgebung war absolut. Plötzlich befiel mich eine gewisse sanfte Melancholie, der Traum verblasste und ich befand mich in den Trümmern, die es mir dank der Rekonstruktionen von Sir Arthur Evans ermöglicht hatten, Ariadnes Atem einzuatmen.

Zurück in Iraklion, kam ich als zerstreuter Wanderer, der ohne Ziel durch die Strasse streifte, an der Weg die Mauer hinaufführt. Ich weiß jetzt nicht den genauen Ort, Norden, Süden, Osten oder Westen, aber dort, zu allen offen vier Windesrichtungen, tauchte ein einfaches Grab auf, mächtig: Nikos Kazantzaki. An seinem Grab schwoll mir die Brust, obwohl ich damals nur eines seiner Werke gelesen hatte, und das war lange her: Alexis Zorba. Auf den Rat einer Freudin hin, kaufte ich dieses ins französisch übersetzte Buch von diesem Autor, weil ich Griechisch, die Sprache in der das Werk geschrieben ist, weder kannte noch kenne.

Alexis Zorba ist ein Roman, ein Lied über das Leben. Seele und Geist werden durcheinander gebracht, ästhetische und moralische Werte werden gegenübergestellt, um den Einzelnen vom sozialen Merkantilismus wegzubewegen und um die höchsten Ebenen der Spiritualität zu erreichen. Als Eigenschaft des Romans bleibt in meiner Erinnerung die Essenz eines freien, entschlossenen Charakters, der weiß was er will. Eines Individuums, das lebt um zu leben und nicht um sich der Vulgarität sozialer Materialismus zu unterwerfen; sondern um das tägliche Leben in konstante spirituelle Werte zu verwandeln.

Grab von Nikos Kazantzaki in Heraklion

Es ist das Individuum selbst, das über sein ästhetisches, ethisches und moralisches Verhalten entscheidet, immer vorausgesetzt es besitzt diese Fähigkeit. Wissen wir genau was wir suchen? Wollen wir unsere Wünsche auf materieller Ebene befriedigen? Interessieren wir uns mehr für die Freude am Geld? Das künstlerische Schaffen? Das Wohl Anderer? Im Laufe eines Lebens gibt es immer unterschiedliche Stadien, in denen eine Person verschiedene Phasen durchlebt, aber die Persönlichkeit selbst bleibt während der gesamten Reise fast immer konstant. Es sind die persönlichen ultimativen Werte die wir erreichen wollen, die diese Reise bestimmen. An einem Moment in der Geschichte beginnen die Menschen über die Werte nachzudenken, die ihr eigenes Verhalten und das Anderer abgrenzen, und beschließen Gesetze zu schaffen, die das Verhalten der Gruppe und des Einzelnen bestimmen: der Codex von Hammurapi, der Dekalog von Moses und, unter anderem, die Gesetze Justinians.

Kazantzaki definiert den Roman als Dialog; der Dialog zwischen dem Schriftsteller und dem Mann des Volkes, das heißt der Dialog zwischen der Feder und der großen Seele des Volkes. Alexis Zorba ist ohne Zweifel einer der Romane, die mir in Erinnerung geblieben sind. Da ist die Essenz Kretas, die Synthese zwischen Ost und West. Der Schriftsteller hat eine Vision der Gegenwart und der Zukunft, wobei sein Blick immer auf das Weltliche gerichtet ist, auf das Hier und Da, auf halbem Weg zwischen den beiden Zivilisationen. Alexis Zorba ist weder ein Gott noch ein Halbgott, noch ist er ein Held. Er ist ein einfacher Mensch, eine Seele, auf der Suche nach Vergnügen, ein Individuum im ständigen Kampf um die Freiheit angesichts der sozialen Unterdrückung.

Kazantzakis Werk ist ein Aufschrei: Jeder Mensch muss schreien, bevor er stirbt. Als der Autor einen Schrei in ihm hört, will er ihn nicht ertränken, um die Stummen und die Stotterer zu erfreuen. Der Schrei ist die Freiheit vor den Anderen: Ich möchte niemandem ein Jünger sein, ich möchte auch keine Jünger haben. Seine Reise in dieser Welt ist nichts anderes als ein Moment, der richtige Zeitpunkt um zu rufen: Meine Seele ist ein Schrei und mein Werk ist die Interpretation dieses Schreis. Ich, da, auf einer Ecke seines Grabes sitzend, unter dem Himmel von Kreta, hörte seine Feder erschallen, es war wie ein tiefes Brüllen aus dem Boden des Grabes.

Alexis Zorba ist ein Charakter aus dem wirklichen Leben. ich erinnere mich, dass Kazantzaki in seinem Buch “Lettre au Greco”, welches ich gleich nach meinem Aufenthalt auf Kreta auch auf Französisch gelesen habe, über den wahren Charakter spricht. Einem Charakter, mit dem er sechs Monate auf Kreta verbringen konnte. Zu diesem Zeitpunkt, als ich diese Worte schrieb, konnte ich mich nicht von dem Wunsch befreien die Seiten des Buches wiederzuentdecken, in denen Kazantzaki seine Begegnung mit diesem Menschen beschreibt. Ich war beeindruckt noch einmal zu lesen, dass fünf Charaktere in seinem ganzen Leben seine Person sehr stark beeinflusst haben: Homer, Buddha, Nietzsche, Bergson und natürlich Zorba.

Beim Lesen eines Buches kann die Erinnerung an die durch das Werk erzeugten Empfindungen im Gedächtnis bleiben aber viele der Einzelheiten die ein Buch zweifellos enthält, verschwinden oft im Laufe der Zeit. Viele der Charaktere, Orte und anderen einzigartigen Zusammenhänge, die seine Handlung strukturieren, sind aus meinem Gedächtnis verschwunden, obwohl meine Erinnerungen verwechselt werden können mit denen von dem Film mit demselben Titel. Das Gedächtnis ist immer selektiv, es löscht viele Besonderheiten und andere Inhalte und konzentriert sich auf die Empfindungen zum Zeitpunkt des Lesens. Es gibt Bücher bei denen, wenn die Bilder erst einmal in Vergessenheit geraten sind, kein Gefühl mehr bleibt. Manchmal nicht einmal mehr die Freude, die sie beim Lesen hätten wecken können.

Vor ein Paar Tagen hatte ich ein Gespräch mit zwei Künstlern, beide aus Deutschland, Fred Kobecke und Holle Frank die beide gelesen hatten, was heute noch als Bestseller gilt: The da Vinci code von Dan Brown. Fred drückte eine absolute Sympathie für das Buch aus und verteidigte die Werte der Gelehrsamkeit und des Wissens über die Kunstgeschichte, die unter anderem seiner Meinung nach der Roman besitzt. Holle hingegen glaubte, das Buch sei seines literarischen Wertes beraubt. Beide waren sich jedoch einig über den starken Reiz, es zu lesen: ein Reiz, der es sehr schwer machte, es aus der Hand zu legen. Das Gespräch faszinierte mich und ich ging sofort los um das Buch zu kaufen. Heute, ein paar Wochen später, bin ich fast zur Hälfte eingetaucht. Meine Gefühle bestätigen meine Reflexion über das Buch; es ist kein Buch das mir in Erinnerung bleiben wird. Dies ist ein Buch das zwar seiner oberflächlichen Anziehungskraft treu bleibt, aber absolut keinen sensorischen Wert hat. Literarische Werte beschränken sich darauf Intrigen zu erzeugen, damit der einfache Leser das Lesen nicht aufgeben kann. Die Sprache ist klar, direkt und leicht verständlich, auf jeden Fall typisch für ein Buch das einzig und allein die Epidermis einer großen gesellschaftlichen Masse befriedigen will. Hinzu kommt der ständige und übermäßige Einsatz von unentzifferbaren symbolischen und kryptografischen Spielen: ein gutes Drehbuch für einen Film.

Ein paar Tage später fuhr ein weiterer Bus von Heraklion nach Messara, der Region in der sich die Ruinen von Faistos befinden. Ich erinnere mich daran dass man in Mires umsteigen musste. Aber ich erinnere mich jetzt nicht mehr ob nach Matala oder Galini. Die Ruinen machten auf mich keinen besonderen Eindruck, da ich nur einige Tage zuvor Cnossos genossen hatte. Zurück gab es nur einen Bus, der um viertel nach drei kommen sollte; wir warteten und warteten. Anscheinend verhält sich der Fahrer, wenn der Bus seinen Ausgangspunkt verlassen muss und es keine Fahrgäste gibt folgendermassen: geht zu Fuß wenn ihr nicht zufrieden seid. Es blieb nichts anderes übrig, als zu trampen. Nach vier oder fünf Autos hielt eines an und wir konnten den Rückweg nach Mires antreten. Ein Mann in den Vierzigern, gut gekleidet, sehr höflich, gut Englisch sprechend, erzählte uns dass dies durchaus üblich sei.

Seit Tagen konnte ich die starke Religiosität der Menschen auf dieser Mittelmeerinsel sehen, etwas das mir in Athen so nicht aufgefallen war. Ob zu Fuß, mit dem Auto oder mit dem Bus, viele Menschen machen das Kreuzzeichen wenn sie direkt an einem Tempel, einem Friedhof oder einem anderen religiösen Ort vorbeikommen. Ich erinnere mich, wie der Mann der mir mitgenommen hatte offenbar nicht nur eine gute Kultur besass, sondern auch auf eben diese Weise seine starke Religiosität manifestierte, denn auf den wenigen Kilometern die die Reise dauerte, machte er fünf oder sechsmal das Kreuzzeichen. Er tat dies kurz vor einem Friedhof, einer Kirche oder einem Kloster, von denen es auf der ganzen Insel viele gibt. In Arcadia habe ich etwas gesehen, das auch mein Herz beeindruckt hat. Arkadien ist eine sehr gebirgige Region mit gefährlichen kurvigen Straßen. Als ich ein paar Tage später mit einem in Athen gemieteten Wagen von Argos nach Olympia fuhr, nachdem ich Epidauros besucht hatte, standen an den Straßenrändern Hunderte von kleinen Kapellen, in denen ständig kleine Öllampen brannten. In der Kapelle ist es Brauch, die Öllampe am Leben zu erhalten. Ich kenne das System nicht das es ihnen erlaubt, das Licht nicht ausgehen zu lassen, obwohl ich davon ausgehe dass es die Bewohner der Gegend sind, die sich um die Lampen kümmern. In unserem Land finden wir, wenn auch nicht oft, Blumensträuße neben der Landstraße.

Denkmal für El Greco in Heraklion

Heraklion hat, unter einer rein mediterranen Sonne, überall geschichtsträchtige Ecken und Straßen, Plätze über Plätze, und plötzlich findet man einen Sockel mit einer Büste obendrauf, ein kleines Denkmal welches den Maler Domenico Theotocopuli “El Greco” gennant, darstellt. Auf Kreta geboren und in Venedig aufgewachsen, ist sein genauer Geburtsort nicht bekannt was wir wissen ist, dass er 1541 geboren wurde da er selbst 1606 erklärte fünfundsechzig Jahre alt zu sein. Verdammt dazu in Toledo zu leben und nicht in Madrid, wie er es sich gewünscht hätte. Ich erinnere mich dass ein Kunstgeschichtslehrer von mir sagte, dass “El Greco” von Rom nach Spanien kam, wo er, angezogen vom El Escorial, erfolglos versucht hatte sich als Maler zu positionieren. Derselbe Professor erzählte uns, dass nachdem “El Greco” den “Traum von Philipp II” um 1570 gemalt hatte, der Monarch aufgrund des Gemäldes kein Interesse an dem Künstler zeigte. Es ist auch in meiner Erinnerung präsent, dass es diejenigen gab, die gemeint haben dass dieses Gemäldes um 1610 gemalt wurde. Ich kenne die Grundlagen nicht, die die eine oder andere Version verteidigen. Entsprechen sie auf jeden Fall der Realität? Es ist wahr, dass die Mystik von Toledo einem Maler wie ”El Greco” brauchte, und wie ein Meteorit der vom Himmel fällt, fand Tizians Schüler den Ort an dem er seine persönlichen Manierismus zeigen konnte.

Seine Malerei geriet über mehr als zwei Jahrhunderte, ohne Schüler, ohne Anhänger und noch weniger Liebhaber in Vergessenheit. Das große Jahrhundert und die Späteren verdunkelten die Werke El Grecos, die man aus dem späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert wieder in Betracht ziehen würde. So leidet die Wertschätzung der Arbeit eines Schöpfers unter den Erschütterungen von Zeit und Individualität. Das Kunstwerk hängt nicht allein und ausschließlich von sich selbst ab, sondern vor allem vom Empfänger, in diesem Fall vom Betrachter. Vor mir ist das Werk von El Greco nicht unveränderlich, es ist so wankelmütig wie mein Geisteszustand. Im Februar dieses Jahres, 2006, konnte ich die Werkgruppe des Prado-Museums in Madrid wieder sehen und schämte mich, nichts als eine Sammlung schmutziger und schreiender Puppen zu sehen. War es meine Unfähigkeit, in das Werk des Malers einzutauchen, oder war es meine Fähigkeit, sich der von der Geschichte begründeten Anerkennung nicht zu unterwerfen?

Ein persönliches Erlebnis hat mich vor einigen Jahren nachdenken lassen über den Dialog zwischen Werk und Betrachter und damit auch über die Wertschätzung des Kunstwerks selber. Zunächst muss gesagt werden dass ich, als ich Anfang der sechziger Jahre die Impressionisten entdeckte und meine Malerei der Lichtwirkung ausgesetzt war, die großen französischen Meister des späten neunzehnten Jahrhunderts in höchstem Masse Wertschätzte. Lassen Sie mich im Lichte dieser Aussage meine Erfahrungen mit Ihnen teilen. Viele Jahre später, im Februar 1997, war ich in der National Gallery in London direkt im Raum der großen spanischen Maler des 17. Jahrhunderts. Es gab die Velázquez, die Grecos, die Riberas, die Murillos und viele andere. Angesichts dieser Werke absorbierten mich die persönlichen Schwingungen eben jener Maler von Kopf bis Fuss. Die Ästhetik dieser Maler war mir zu Kopf gestiegen. Was für Empfindungen! Was für emotionale Resonanzen in mir! Ich war in die Ästhetik der großen spanischen Malerei eingetaucht. Nach unbestimmter Zeit ging ich in die Räume der französischen Impressionisten. Was für Enttäuschung! Was für ein Dreck! Für mich war es sehr leicht die Bürger des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts zu verstehen, die schwangere Frauen anflehten, diese Ausstellungen nicht zu besuchen wenn sie ihr Kinder nicht verlieren wollten. Ich musste mich mentalisieren, um in mir die Parameter verändern zu können, die es uns erlauben eine bestimmte Ästhetik wertzuschätzen, um zumindest den Dialog mit den Lichtmalern wieder aufnehmen zu können.

Ein Ort, der seit Jahren in meinem Kopf existierte, war Kap Sunion; das östlichste Gebiet des Mittelmeers, wo die Katalanen die Flagge verankerten. Der Name Sunion wird mir in Verbindung mit dem einer katalanischen Schule in Erinnerung bleiben, an der ich ab 1977 fünf oder sechs Jahre lang eine kleine pädagogische Aufgabe durchführte. Pep Costa-Pau war der Schöpfer und Förderer. Ein katalanischer Katalanist, nicht alle sind es, der Schöpfer einer modernen Schule mit starken pädagogischen Ideologien: ein starrer Mann mit starkem Charakter, herrschsüchtig. Die Schule, die am Ende des Franco-Regimes gegründet wurde, musste noch die Härten der Diktatur ertragen, aber mit Hartnäckigkeit und dem Wunsch dem Land zu dienen, leitete Pep eine selektive und moderne Schule. Ein paar Jahre nachdem ich die Schule verlassen hatte, hatte Pep einen tödlichen Unfall auf der Autobahn. Er war ein großartiger Charakter und Freund. Seine Witwe Magda Planellas erklärte sich einige Jahre später (1994) bereit in das Kuratorium der von mir gegründeten Stiftung einzutreten.

Jordi Rodríguez-Amat zeichnet den Poseidontempel in Cap Sunion (2002)

Zeichnung des Poseidontempels von Kap Súnion

Sunion ist auch für immer mit dem Mythos von Theseus und dem Minotaurus verbunden. Vor nicht allzuvielen Jahren habe ich einige Zeichnungen zu diesem Mythos gemacht. Ein Mann wurde dargestellt, wie er eine Art gehörntes Tier tötete. Dies ist eine kleine Serie von Zeichnungen mit der ich nicht sehr zufrieden war. Der Faden der Ariadne ist der Faden des Lebens, des Labyrinths, der verlorenen und wiederentdeckten Räume, Er ist der Faden des Schicksals, um den Ausgangs wiederfinden zu können. Er ist nicht der Faden der Brotkrumen der Nahrung für Spatzen und anderer kleiner Vögel war.

Poseidon, an einem heißen Tag, bei strahlender und starke Sonne, saß auf einer Klippe Richtung Súnion gewandt, um die großen Meeresräume zu beherrschen: die Ägäis. Schrecklich und auf Erden gefürchtet, war er ein gewalttätiger Gott. Der Dreizack, ein heidnisches Symbol das vom Christentum in ein teuflisches verwandelt wurde, und der Delphin begleiteten ihn auf seinen Seereisen. Später verwandelte er sich in Neptun, dessen angeblich schöne Töchter von meinem Freund, dem Maler Modest Cuixart, in Palafrugell gefunden wurden.

Jordi Rodríguez-Amat am Ausgang des Olimpia-Stadions

Viele andere Erinnerungen an diesen Aufenthalt kommen in mein Gedächtnis, darunter Olympia und Delphi. Lassen Sie mich sagen, dass eines der Skulpturen, die mich während dieser Reise am stärksten beeindruckte, die des der Hermes von Praxiteles in Olympia war, ohne Zweifel eine der wunderbarsten Skulpturen, die meine Augen betrachtet haben. Ich habe mich oft gefragt wie es möglich ist, ein solches Werk zu schaffen, Erstaunlich welche Niveau die griechischen Bildhauer des 5. 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr. hatten? In meinen Augen stellt es sich heute noch als unmöglich dar, so etwas zu verstehen. Glücklicherweise bleibt Griechenland ein Wissensschatz; ein Land, eine Geschichte, eine Kultur, aus der die Essenz unserer Zivilisation hervorgekommen ist.

Hermes von Praxiteles

Jordi Rodríguez-Amat

5. de juli 2006

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