Copyright: 2006 Jordi Rodríguez-Amat

Dieser Text ist in der Abteilung für Kultur der Katalanische Regierung registriert worden.

DIE BADEWANNE

Wir waren beide zusammen in der Badewanne. Sie war glücklich, na ja, sie sah so aus, oder sie ließ es einfach so aussehen. Sicher war es das. Die Badewanne war klein. Ich war an ihrer Seite. Sie lag mit dem Bauch nach oben, als ich mich plötzlich auf sie legte. Ich sah direkt in ihre Augen, ohne etwas zu sagen. Mir kam die Idee in der Badewanne Liebe zu machen, aber sie war zu klein. Eines Tages dachte ich werden wir es in einer größeren Badewanne machen, viel größer als diese. Ihr Blick aus großen Augen war durchdringend und zerstreut, aber gleichzeitig neugierig.

Aurora war eine sensible und traurige Frau. Wir hatten nichts gemeinsam außer einer einfachen sentimentalen Bindung, aber sehr oberflächlich. Als Frau mit unterschiedlichen Emotionen waren ihre Gefühle ganz anders als meine, einschließlich ihres Charakters. Ich liebte sie, aber unbeständig. Sie war eine einfache Frau, sehr gefühlslos. Sie konnte ihren Körper sehr schnell geben, aber nicht ihre Seele.

Ihre Augen spiegelten die Traurigkeit wieder unter dem gegenseitigen Missverständnis zwischen ihr und ihren Ex-Mann zu leiden. Als sie mir erzählte, wie sehr sie ihn hasste, hörte ich ihr mit Mitgefühl zu. Sie hatten sich vor drei Jahren getrennt. Wie bei vielen anderen Paaren war die Beziehung fast nie gut. Auch der Geschlechtsverkehr ist nie gut gewesen. Manchmal hatte sie den Komplex, dass die Trennung ihre Schuld gewesen war, weil sie nicht in der Lage war, ihm wahre sexuelle Befriedigung anzubieten. Eines Tages erzählte sie mir sogar, dass ihr Ex-Mann ihr vorgeschlagen hatte, sexuelle Beziehung mit einem befreundenten Paar auszutauschen. Sie hat mir nie gesagt, ob sie das akzeptiert hat, oder nicht. Ihn habe ich nie getroffen, ich weiß nur was sie mir erzählt hat.

Ich habe sie zufällig getroffen. Eines Tages, als ich im Cafe Zürich in Barcelona an der Bar ein Bier trank, war sie an meiner Seite und fragte mich, mit einer Zigarette in ihr Hand; hast du Feuer? Ich starrte ihr einen Moment direkt in die Augen. Sie haben mich bezaubert. Nachdem ich sie sehr lange angeschaut hatte, sagte ich zu ihr: Ein Mädchen, so hübsch wie du, sollte nicht rauchen. Sie wurde rot und kam, ohne ein Wort zu sagen, auf mich zu und küsste mich auf die Wange.

Es dauerte nicht lange, bis ich mich in sie verliebte. Die Beziehung schwankte, manchmal lief es besser, manchmal schlechter. Gibt es wirklich eine perfekte Beziehung...... fragte ich mich? Unsere war es nicht aber fast. Sie hatte Angst. Sie fürchtete sich jedoch weder vor mir noch vor den Erinnerungen an das Leiden, das sie während ihrer ehelichen Beziehung erlitten hatte, noch hatte sie moralischen Prinzipien. Sie hatte Angst vor eine neue Beziehung anzufangen. Auch Angst vor ihrer eigenen Situation, in der sie sich befand: prekäre und schlecht bezahlte Arbeit sowie ihre Unfähigkeit das kleine Anwesen zu verwalten, das ihr Ehemann ihr hinterlassen hatte. Sie hatte Angst vor einem weiteren Misserfolg. In ihrem Kopf war ein großes Durcheinander.

Sie sah, dass ich mich am Rande hielt, um mich nicht in ihr persönliches Leben einzumischen und mehr Verwirrung für sie zu schaffen. Aurora, sagte ich ihr oft, ich weiß dass Beziehungen schwierig sind und wir unsere auf ein einfaches sentimentales Spiel beschränkten könnten, aber wir haben die Möglichkeit zu spielen, trotz der Konsequenzen die zu einer Trennung führen könnten. A priori, die Angst vor einer möglichen Trenung erlaubte ihr nicht, unsere Beziehung zu genießen. Darüber hinaus schränkten andere Arten persönlicher Probleme ihre Fähigkeit ein, mutige Entscheidungen zu treffen. Die Kinder, bereits in einem bestimmten Alter, unterdrückten die Mutter. Sie konnten es mit dem Vater nicht tun, weil er eine Barriere geschaffen hatte. Ebenfalls brauchte ihr Vater, der sehr, sehr alt war, ihre Aufmerksamkeit und sie fühlte sich dazu verpflichtet.

Ich wünschte, ich könnte ihre Gedanken lesen und wäre, in der Lage zu sein, mit meinem Blick ihr Gehirn zu durchdringen und ihre Seele zu entkleiden. Alles, was ich tun konnte, war, durch ihre Augen ihre Melancholie, die Gelassenheit ihrer hasserfüllten Nostalgie, das freudige Juwel der Traurigkeit unserer Beziehung und alle ihre verborgenen Gedanken zu entdecken.

Die Sinnlichkeit der Beziehung erzeugte sensible Lustzustände. Ich gehen davon aus, dass sie diese Momente hätte fortsetzen wollen, aber nichts ist dauerhaft. Sowohl die inneren Gefühle als auch die äußere Welt entwickeln sich ständig weiter. Die Metamorphose des Körpers ist im Einklang mit der Entwicklung des Wissens, so wie sich auch das Universum selbst verändert. Es ist die ständige Flucht vor der Kürze des Augenblicks: der Panta-Rei von Heraklit. In diesem Moment schien es mir dass sich alles ändert, außer der perfekten Kontinuität des Wandels. Die Welt selber ist eine unveränderliche Grösse aber nicht unsere Gefühle.

Wir waren in Zimmer 34 des Rodamon Riad Hotels in Marrakesch. Ich sah ihr immer wieder direkt in die Augen. Sie, passiv, gaben mir ihren Glanz. Aus dem Raum konnten wir das Geräusch von Quellwasser ganz in der Nähe unseres Zimmers und das Rauschen des Lebens draußen hören. Als ich in ihre Augen sah, dachte ich einen Moment darüber nach ihr zu sagen “ich liebe dich“, aber ich sagte es nicht, weil sie wusste dass die Liebe immer relativ ist. Es gibt keine absolute Liebe. Ich dachte, sie würde genauso denken wie ich. Ich versetzte mich fiktiv in ihre Lage und dachte: wenn ich jemanden finden würde, der mich so liebt wie du mich, könnte ich eine Wahl haben. Man muss immer einer offenen Tür haben.

Sobald wir aus der Badewanne steigen, dachte ich, werden wir uns im Bett lieben.

31 August 2006

Jordi Rodríguez-Amat

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